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AutorenbildMarie Krauß

Studienrückschau: Physiotherapie bei Morbus Parkinson

In diesem Blogeintrag werde ich mich mit der Frage beschäftigen, welche Physiotherapieansätze für Menschen mit Parkinson-Krankheit (PD) am effektivsten sind. Diese Annahmen basieren auf einer umfassenden Meta-Analyse (Radder, Danique L M et al. “Physiotherapy in Parkinson's Disease: A Meta-Analysis of Present Treatment Modalities.” Neurorehabilitation and neural repair vol. 34,10 (2020): 871-880. doi:10.1177/1545968320952799) die sowohl herkömmliche als auch neuere Formen der Physiotherapie unter die Lupe nimmt.

In die Analyse einbezogen wurden 191 Studien mit insgesamt 7998 Teilnehmer:innen, die verschiedene Arten von Physiotherapie mit einer Kontrollgruppe ohne Intervention oder mit Scheinbehandlung verglichen. Die untersuchten Therapieansätze reichen von herkömmlicher Physiotherapie über Tanz und Kampfkunst bis hin zu Exergaming und Hydrotherapie.


Es ist bekannt dass PD eine komplexe und fortschreitende Erkrankung ist, die neben motorischen Symptomen auch das Risiko für Stürze, Probleme im Alltag und soziale Isolation erhöht.


Symptome bei Parkinson


Motorische Symptome
  1. Tremor (Zittern) in Ruhe

  2. Bradykinesie (Verlangsamung der Bewegung)

  3. Rigor (Muskelsteifheit)

  4. Posturale Instabilität (Gleichgewichtsprobleme)

  5. Gangveränderungen (z.B. kleinschrittiger Gang)

  6. Gesichtsausdrucksmangel (Maskengesicht)

  7. Schwierigkeiten beim Sprechen (leise, undeutliche Sprache)

  8. Mikrographie (kleine, krakelige Handschrift)

  9. Schwierigkeiten bei feinmotorischen Aufgaben (z.B. Knöpfen schließen)

Psychomotorische Symptome
  1. Apathie (Teilnahmslosigkeit)

  2. Akinese (Mangel an Bewegung oder Schwierigkeiten, eine Bewegung zu beginnen)

  3. Verlust der automatischen Bewegungen (z.B. Blinzeln)

  4. Psychomotorische Verlangsamung

  5. Fehlende oder verminderte Gestik

  6. Motorische Blockaden/Einfrieren ("Freezing")

Wie kann dem heute (konservativ) entgegen gewirkt werden?


Gestaltung der Meta-Analyse


Die Forscher:innen haben 425 mögliche Studien gefunden und geprüft, ob sie für die Analyse geeignet sind. 191 Studien haben die Kriterien erfüllt und wurden genauer untersucht. Die restlichen 234 wurden aus verschiedenen Gründen nicht berücksichtigt, hauptsächlich wegen fehlender Daten.


Die Art der Übungen in den Studien war sehr unterschiedlich. Manchmal ging es um eine bestimmte Übung, wie Tai Chi oder Tango tanzen, manchmal um eine Mischung aus verschiedenen Übungen wie Krafttraining, Flexibilität und Gleichgewicht.


Die Dauer und Häufigkeit der Übungen waren auch sehr verschieden. Im Durchschnitt dauerten die Programme zwischen 4 und 12 Wochen, manchmal sogar bis zu 2 Jahren. Die Trainings fanden meistens 3 bis 4 Mal pro Woche statt und jede Einheit dauerte im Durchschnitt etwa 67 Minuten.


Therapieformen mit verschiedenen Graden von Evidenz


Die Ergebnisse zeigen, dass herkömmliche Physiotherapie positive Effekte auf Bewegungssymptome, Gangart und Lebensqualität hat. Konventionelle Physiotherapie, wie hier beschrieben, ist eine umfassende Kategorie, die verschiedene traditionelle Techniken umfasst, die üblicherweise von Physiotherapeut:innen angewendet werden. Das reicht von manueller Therapie bis zu speziell gestalteten Übungen für Balance, Kraft und Beweglichkeit (wie z.B. PNF).

Die Einbeziehung von multifaktoriellen Interventionen deutet darauf hin, dass oft eine Kombination von Techniken am effektivsten ist, um Krankheitsbilder wie die Parkinson-Krankheit (PD) zu behandeln.


Es wurden verschiedene Messmethoden* verwendet, um diese Effekte zu beurteilen. Zum Beispiel zeigte eine der Messmethoden (MDS-UPDRS*) einen mittelstarken positiven Effekt der Physiotherapie auf Bewegungssymptome. Ein anderer Test (10 Meter Geh-Test*) zeigte eine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit, und ein weiterer Test (Cadence *) zeigte Verbesserungen im Rhythmus des Gehens.

Zusätzlich dazu wurden sechs andere Aspekte untersucht, wie die Angst vor dem Fallen und das Einfrieren der Bewegung während des Gehens. Auch hier zeigte die Physiotherapie positive Effekte.




Laufbandtraining kann speziell die Gehfähigkeiten verbessern. Es hatte einen mittleren positiven Effekt auf den 10-Meter-Geh-Test* und einen recht starken positiven Effekt auf die Gehgeschwindigkeit. Bei anderen Messungen wurden keine signifikanten Verbesserungen festgestellt.


11 Studien haben untersucht, wie Tanzen im Vergleich zu keiner Übung oder einer Scheinbehandlung wirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass Tanzen positive Effekte auf Motorik, Gleichgewicht und Gehfähigkeit hat. Tanzen hatte eine ziemlich starke positive Wirkung auf den MDS UPDRS-Test* der Motorik misst, und den BBS-Test*, der das Gleichgewicht bewertet. Es gab auch eine moderate Verbesserung im "Timed Up and Go"-Test (TUG)*, der die Beweglichkeit prüft. Allerdings verbesserte Tanzen nicht das Problem des "Einfrierens" beim Gehen,





Das Krafttraining konnte eine ziemlich starke Verbesserung im 6-Minuten-Gehtest verzeichnen. In anderen Tests oder Bereichen gab es keine signifikanten Verbesserungen.





Fünf Studien mit insgesamt 231 Teilnehmenden haben Aerobic-Übungen mit Standardbehandlungen oder keiner Übung verglichen. Die zusammengefassten Daten zeigten, dass Aerobic-Übungen die motorischen Symptome sowie das Gleichgewicht und die Gehfähigkeit signifikant verbessern.



Gleichgewichtstraining und Gehtrainings haben positive Effekte auf Bewegungssymptome, Gleichgewicht und die Gehfähigkeit. Es gab eine moderate Verbesserung in Messungen wie MDS-UPDRS*, Ganggeschwindigkeit und Schrittlänge. Darüber hinaus zeigte der BBS-Test*, ein Maß für das Gleichgewicht, eine deutlich positive Wirkung. Es gab auch positive Effekte auf die Schrittlänge und die ABC-Skala, die Selbstsicherheit beim Gehen misst.





Es gab 8 Studien mit insgesamt 230 Teilnehmenden, die Hydrotherapie (Wassertherapie) entweder mit Standard-Physiotherapie oder keiner Übung verglichen haben. Die zusammengefassten Ergebnisse zeigten, dass Hydrotherapie eine recht starke positive Wirkung auf den TUG-Test* hat, der die Mobilität misst. Zudem gab es auch eine deutlich positive Wirkung auf die Angst vor dem Fallen.

Es gibt derzeit noch nicht genug Daten, um bestimmte Physiotherapie-Techniken wie Ganzkörpervibration, Massage, Boxen, Yoga und Programme zur Sturzprävention gründlich zu bewerten. Trotzdem gibt es einige interessante Erkenntnisse:

  1. Ganzkörpervibration: Eine Studie aus dem Jahr 2014 sagt, dass diese Methode möglicherweise hilfreich sein könnte, um die Balance und Beweglichkeit zu verbessern.

  2. Anma-Massage: Eine Studie fand heraus, dass Menschen mit Parkinson nach dieser japanischen Massageart weniger Muskelsteifheit, Bewegungsschwierigkeiten, Schmerzen und Müdigkeit verspüren. Auch die Gehgeschwindigkeit und Schrittlänge haben sich verbessert.

  3. Yoga: Eine Studie zeigte, dass Yoga die motorischen Fähigkeiten und das Gehen bei Menschen mit Parkinson verbessern kann.

  4. Boxen: Eine andere Studie fand heraus, dass Boxen die Gehgeschwindigkeit und Ausdauer bei Parkinson verbessern kann.

  5. Sturzprävention zu Hause: Eine Studie mit 474 Personen zeigte, dass ein individuell angepasstes Trainingsprogramm die Anzahl der Stürze nicht signifikant reduzieren konnte.

Das heißt, es gibt einige vielversprechende Ansätze, aber mehr Forschung ist nötig, um sicher zu sein, wie effektiv diese Techniken wirklich sind.


Einschränkungen konventioneller Physiotherapie


Die Meta-Analyse ergab signifikante Verbesserungen in verschiedenen Bereichen:

  1. Motorische Symptome: Gemessen mit dem MDS-UPDRS* (Unified Parkinson's Disease Rating Scale), zeigte sich eine moderate Verbesserung (SMD 0.48, P < .001).

  2. Gang: Gemessen mit dem 10MWT (10-Meter-Geh-Test*) ergab sich eine moderate Verbesserung (SMD 0.30, P < .04).

  3. Schrittfrequenz (Cadence*): Auch hier zeigte sich eine moderate Verbesserung (SMD 0.52, P = .01).

Neben diesen Hauptergebnissen wurden sechs weitere Outcomes* untersucht, darunter:

  • FES-I: Angst vor dem Fallen (SMD 0.38, P = .002)

  • ABC-Skala: Kein signifikanter Effekt (SMD -0.15, P = .3)

  • Mini-BESTest: Kein signifikanter Effekt (SMD 0.23, P = .10)

  • Functional Reach: Grenzwertige Ergebnisse (SMD 0.26, P = .05)

  • (N)FOG-Q: Verbesserung des Einfrierens des Gangs (SMD 0.24, P = .02)

  • EQ-5D: Lebensqualität, keine signifikante Veränderung (SMD 0.21, P = .06)

Die Meta-Analyse bestätigt also die positive Wirkung konventioneller Physiotherapie in verschiedenen Bereichen, insbesondere bei der Reduzierung der Angst vor dem Fallen und dem Einfrieren des Gangs.


Die aktuell beste Therapie bei Parkinson


Diese Metaanalyse zeigt, dass Physiotherapie effektiv ist, um bestimmte Ergebnisse zu verbessern. Sie kann aber nicht alle Lebensbereiche von Patient:innen abdecken. Therapeut:innen und Patient:innen können daher aus einer Vielzahl von Behandlungsstrategien wählen, basierend auf den spezifischen Symptomen, die sie verbessern möchten, und auf den persönlichen Vorlieben der Patient:innen in Bezug auf die Art der Übung. Zudem legt diese Meta-Analyse nahe, Patient:innen dabei zu ermutigen und zu unterstützen sich weiteren Aktivitäten zuzuwenden, die ihnen erweitert postiven Effekt auf die eigene Lebensqualität ausüben können.


Dies erleichtert einen patientenzentrierten Ansatz, bei dem sowohl Therapeut:innen als auch Patient:innen eine evidenzbasierte Auswahl zwischen verschiedenen Interventionen haben. Die Anpassung der Behandlung an die Vorlieben der Patient:innen wird wichtig sein, um die Motivation zu steigern und die langfristige Therapietreue zu erhöhen.


Zusammenfassend:


  • Laufbandtraining scheint besonders gut für die Verbesserung der Gehfähigkeiten bei Menschen mit Parkinson zu sein. Andere Aspekte wurden jedoch nicht signifikant verbessert.

  • Tanzen scheint besonders gut für die Motorik und das Gleichgewicht bei Menschen mit Parkinson zu sein, hat jedoch keinen signifikanten Einfluss auf das "Einfrieren" beim Gehen.

  • Krafttraining scheint besonders effektiv bei der Verbesserung der Gehfähigkeit in einem 6-Minuten-Test zu sein, aber es zeigte keine nennenswerten Effekte in anderen Bereichen.

  • Aerobic-Übungen scheinen effektiv dabei zu sein, Bewegung, Gleichgewicht und Gehfähigkeit zu verbessern.

  • Training für Gleichgewicht und Gang scheint effektiv zu sein, um motorische Symptome und die Gehfähigkeit zu verbessern.

  • Hydrotherapie (Wassertherapie) scheint besonders hilfreich zu sein, um die Mobilität zu verbessern und die Angst vor dem Fallen zu reduzieren.


* Erläuterungen

In der Physiotherapie für Parkinson-Patient:innen werden verschiedene Outcomes zur Bewertung der Behandlungseffekte herangezogen. Hier ist eine Übersicht:

Motorische Symptome
  • (MDS)-UPDRS-III: Ein standardisiertes Instrument zur Beurteilung der motorischen Symptome bei Parkinson.

Balance (Gleichgewicht)
  • TUG (Timed Up and Go Test): Zeit, die benötigt wird, um aus einem Stuhl aufzustehen, eine bestimmte Strecke zu gehen und sich wieder hinzusetzen.

  • BBS (Berg Balance Scale): Ein Fragebogen zur Beurteilung der Balancefähigkeiten.

  • Mini-BESTest: Ein kompakter Test zur Bewertung verschiedener Aspekte der Balance.

  • Functional Reach: Die maximale Distanz, die jemand mit ausgestrecktem Arm vor sich erreichen kann, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren.

  • FES-I (Falls Efficacy Scale International): Ein Fragebogen zur Erfassung der Sturzangst.

  • ABC (Activities-specific Balance Confidence Scale): Ein Fragebogen zur Erfassung des Gleichgewichtsvertrauens in verschiedenen Alltagssituationen.

Gang (Laufverhalten)
  • 6MWT (6-Minute Walk Test): Die maximale Entfernung, die in 6 Minuten zu Fuß zurückgelegt werden kann.

  • 10MWT (10-Meter Walk Test): Zeit, die benötigt wird, um 10 Meter zu gehen.

  • Gait Speed: Die Durchschnittsgeschwindigkeit beim Gehen.

  • Stride Length: Die Länge eines Schritts.

  • Step Length: Die Länge eines Einzelschritts (Fuß zu Fuß).

  • Cadence: Die Anzahl der Schritte pro Minute.

  • (N)FOG-Q (New-Freezing of Gait Questionnaire): Ein Fragebogen zur Erfassung des "Einfrierens" beim Gehen.

Lebensqualität
  • PDQ-39 (Parkinson's Disease Questionnaire-39): Ein Fragebogen zur Beurteilung der Lebensqualität bei Parkinson.

  • PDQL (Parkinson’s Disease Quality of Life Questionnaire): Ein weiteres Instrument zur Beurteilung der Lebensqualität.

  • EQ-5D (EuroQol Five Dimensions Questionnaire): Ein generischer Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität.

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